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Was macht die Sphinx auf dem Meridian?

3. April 2012, 12:18pm

Veröffentlicht von asmodeus

Rosenlinie

Wohl jeder geografisch Interessierte denkt beim Wort "Nullmeridian" sofort an das Royal Observatory in Greenwich bei London. Seit einer Konferenz im Jahr 1884 gilt der Meridian, der durch das Observatorium verläuft, international als derjenige, von dem aus die geografische Länge nach Westen und Osten gezählt wird. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass vor jener Konferenz praktisch jedes europäische Land seinen eigenen Nullmeridian besaß. 

Es ging um einen Wettstreit – zwischen Frankreich und England um die "Vermessung der Welt": Genauer gesagt, um die Festlegung eines Bezugssystems für die Längenzählung, den Nullmeridian, ein Jahrzehnte dauerndes Tauziehen zwischen den Astronomen in Paris und London. Schwerpunkt und Zentrum aller Aktivitäten – der wissenschaftlichen wie der politischen – ist Paris, beziehungsweise die Pariser Sternwarte im 17. und 18. Jahrhundert. 

Wohl jeder geografisch Interessierte denkt beim Wort "Nullmeridian" sofort an das Royal Observatory in Greenwich bei London. Seit einer Konferenz im Jahr 1884 gilt der Meridian, der durch das Observatorium verläuft, international als derjenige, von dem aus die geografische Länge nach Westen und Osten gezählt wird. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass vor jener Konferenz praktisch jedes europäische Land seinen eigenen Nullmeridian besaß. Paul Murdin, Astronom an der University of Cambridge, erzählt die Geschichte des wichtigsten dieser historischen Längengrade, des Nullmeridians von Paris. 

Buch Kartenmacher


Technische Hilfsmittel dieser frühen Geodäsie waren schwergewichtige Quadranten und Sextanten, die mühsam über örtliche Hindernisse, wie Flüsse und Hügel transportiert werden mussten. Nicht selten wurden die Arbeiten zudem durch Anwohner entlegener Gebiete erheblich behindert, weil diese darin unbekannte Gefahren befürchteten.

Die Bestimmung der geografischen Koordinaten Länge und Breite für möglichst viele Erdorte geschah mit Hilfe der Triangulation, bei der von den beiden Enden einer Basis bekannter Länge Peilungen (Winkelmessungen) zu einem Punkt unbekannter Koordinaten vorgenommen wurden. Einfache Gesetze der Trigonometrie führten schließlich zu den bis dahin unbekannten Koordinaten der angepeilten Orte. Ziel einer Vielzahl dieser Messungen war in erster Linie die Festlegung des Nullmeridians – in jener Zeit ein nationales Prestigeunternehmen! Darüber hinaus sollte ein dichtes Dreiecksnetz das ganze Land überziehen, um die Erstellung einer Frankreichkarte zu ermöglichen. 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Anstrengungen unternommen, den Pariser Meridian nach Süden bis Barcelona (Leiter: Méchain) und nach Norden bis Dünkirchen (Leiter: Delambre) auszudehnen. Méchain und seine Mitarbeiter gerieten dabei ins politische Spannungsfeld zwischen Frankreich und Spanien im Zuge der französischen Revolution von 1789 und kamen nicht selten in Lebensgefahr. 

Observat Paris

Das Observatorium in Paris

So bedeutend und lebenswichtig ein einheitliches Bezugssystem für die Orientierung auf der Erdoberfläche, insbesondere für die Seefahrt, auch ist: Die Gestalt der Erde beeinflusst alle einschlägigen Messungen. Zwei konkurrierende Theorien zur Erdgestalt stehen damals einander gegenüber: diejenige von Newton und die von Descartes. Zur Überprüfung und zum Vergleich der Messungen werden (von Frankreich aus) Expeditionen in pol- und äquatornahe Gegenden, nach Lappland (1734 bis 1737) und nach Ecuador (1735 bis 1744) entsandt. Geodätische Messungen der Gradlänge und Messungen der Sekunden- Pendellänge sollen zwischen beiden Theorien entscheiden. Ergebnis: Wie von Newton vorhergesagt, ist die Erde an den Polen abgeplattet! 

Die Suche nach einem universellen Längenmaß (Urmeter), das alle damals geltenden willkürlichen Definitionen ersetzen sollte, ist ein im Rahmen dieser Geschichte nochmals ein wichtiges Kapitel für sich. Ergebnis des Ringens mehrerer Kommissionen: Ein Meter ist der zehnmillionste Teil des Erd- Meridianquadranten.

Und die Situation all der Bemühungen heute: Der Greenwich-Meridian hat das französische System längst verdrängt. Ausschlaggebend war sicher die vorherrschende Stellung Englands als Seemacht und ihr vitales Interesse an der Orientierung auf den Meeren. Weltstandard für die Koordination von Zeit und Länge ist heute unangefochten Greenwich. Der Pariser Meridian bleibt aber immer ein lebendiges Stück Wissenschaftsgeschichte. Im Zeitalter der Raumfahrt führen Satellitenmessungen zu feinen Korrekturen des terrestrischen Bezugssystems, das die historischen Nullmeridiane von Paris und London inzwischen zur reinen Abstraktion werden lassen. 

Es ist eine Geschichte, die uns durch drei Jahrhunderte führt: Von den Anfängen der französischen Akademie der Wissenschaften im 17. Jahrhundert, deren Mitglieder sich alsbald der immer genaueren Vermessung des Lands widmeten, über die Wirren der Französischen Revolution, wo selbst ein harmloser Landvermesser unter der Guillotine enden konnte, bis ins 19. Jahrhundert, als die Frage eines international einheitlichen Koordinatensystems immer drängender wurde und England mit Frankreich um die weltweite Gültigkeit des eigenen Nullmeridians wetteiferte.

An die großartigen Leistungen, welche von Männern, wie den Cassinis, Tycho Brahe, Johannes Kepler, Snellius, Lacaille, Le Monnier, Picard, aber auch von dem Deutschen Christian Mayer, vollbracht worden sind, erinnern heute verschiedene Denkmäler, wie z.B. , die in den Boden eingelassenen ursprünglich 135 Arago-Medaillons zur Markierung des Nullmeridians über acht Kilometer Länge durch Paris.

Arago-Plakette 2

Nach der Veröffentlichung von Dan Browns Roman „Sakrileg“ avancierten diese Plaketten zu begehrten Objekten der Begierde und einige von ihnen wurden gestohlen. Dabei ist der von Dan Brown für den Meridianverlauf verwendete Name Rosenlinie nur ein Phantasieprodukt des Autors. Und falsch ist auch seine Bhauptung, der Meridian verliefe durch die Glaspyramide des Louvre, über der sich demzufolge auch kein Arago-Medaillon finden lässt. Im weiteren Verlauf des Meridians, durch Frankreich, finden sich dafür wirklich Objekte, welche den Meridian markieren. Manche von ihnen blicken auf ein ehrwürdiges Alter zurück. Die meisten sind allerdings jüngeren Datums, wie die beiden Säulen, rechts und links an der D 74, zwischen Rennes-les-Bains und Sougraigne.

Soulane - Sphinx (42)klein

Quer über die Landstraße, verläuft zwischen ihnen eine dicke grüne Linie, die den „Grünen Meridian“ darstellt. An den Säulen sind Plaketten aus Bronze angebracht.

Warum sind diese Meridiansäulen aber ausgerechnet an dieser Stelle aufgestellt worden?

Warum nicht auf der unvergleichbar viel stärker frequentierten D 14, die von Rennes-les-Bains nach Bugarach führt?

Wir meinen die Anwort gefunden zu haben. Denn irgendwo, in dem Tal zwischen dem Berg Serbairou und La Soulane, stand früher schon eine alte Meridiansäule. Aufgestellt, in der Zeit, nachdem die Cassinis ihre Vermessungen in der Gegend abgeschlossen und den Meridianverlauf bei Rennes-les-Bains bestimmt hatten und der Ort gerade seine neue Blüte als Thermalbad erlebte.

Cassini Domenico

Mit dem Niedergang des Bäderbetriebes setzte dann schon bald der allgemeine Verfall ein. Am Ortseingang legt die malerische Ruine der alten Therme beredtes Zeugnis davon ab, so, wie die Reste der einst imposanten Quelleinfassung von Le Cercle, aus der Römerzeit. Die Anlagen, rings um den Badeort verwilderten und verfielen – und mit ihnen jene Anlage, auf der die alte Meridiansäule ihren Platz hatte. Die Säule verwitterte, stürzte um und zerbrach. Laub, herabfallende Äste und Erdreich bedeckten sie allmählich und schließlich wusste man nur noch, dass dort irgendwo so eine Meridiansäule gestanden hatte.

Wir hatten also das Glück, dieses alte Denkmal wieder zu finden. Die DRAC ist zwischenzeitlich über unseren Fund informiert worden. Wir hoffen, dass die Säule geborgen, vielleicht restauriert und dann wieder ihren angestammten Platz auf dem für sie geschaffenen Plateau einnimmt.

Soulane - Sphinx (13)klein

...der, von Mannheim aus, mit der Vermessung der Pfalz (1762 bis 1772) begann, die in der kleinen, vorläufigen "Charta Palatina" (1773) gipfelte. 

Direction régionale des affaires culturelles (DRAC) du Languedoc-Roussillon

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